Sibelius Jean: DIE STILLE STADT OP 50/5

Die Sammlung der ‚6 Lieder op. 50‘ für Singstimme und Klavier, die Jean Sibelius (1865-1957) im Sommer 1906 schrieb, fällt in eine seiner produktivsten Schaffensperioden. Unter anderem die ersten 3 Sinfonien waren zu diesem Zeitpunkt bereits geschrieben (Nr. 1 in e-Moll op. 39 entstand 1898-99, Nr. 2 in D-Dur op. 43 1901-02) beziehungsweise der Vollendung nahe (Nr. 3 in C-Dur op. 52 entstand 1904-07), dann war auch das großartige Violinkonzert d-Moll op. 47 in seiner heute gültigen 2. Fassung bereits zur Uraufführung gelangt (19. Oktober 1905 in Berlin), schließlich stammen aus der Zeit der Jahrhundertwende mit den Sammlungen op. 36 (1899-1901), op. 37 (1901-02) und op. 38 (1903-04) auch mit die populärsten Lieder Sibelius‘.
Op. 50 ist ausschließlich der Vertonung von Texten deutscher Dichter gewidmet und nimmt damit stilistisch eine Sonderstellung im Liedschaffen des Komponisten ein.
Sie stehen der deutschen spätromantischen Liedtradition nahe, sogar Anklänge an Franz Schubert werden hier mitunter hörbar.
Vorliegend als Einzelausgabe mit DIE STILLE STADT OP 50/5 auf einen Text Richard Dehmels (1863-1920) eine der eindrücklichsten Nummern der gesamten Sammlung: Sehr klangfarben- und modulationsreich ist dieses ‚Andantino‘ in es-Moll (hier die Originaltonart – hohe Stimme) ausgestaltet, die dunkle tonartliche Färbung und das in Achteln langsam voranschreitende musikalische Geschehen geben dem Textgehalt, der Erzählung um den einsamen Wanderer in der anbrechenden Nacht, die passende Entsprechung, kehren die geheimnisvolle bis gar schauerliche Atmosphäre auf sehr beeindruckend subtile Art und Weise nach außen.
Der Duktus und der Stil dieser Nr. 5 gemahnt an Franz Schuberts ‚Winterreise‘.